Der Aufstieg von Sei EVM: Die Wachstumskurve zwischen Performance und Ökosystem neu schreiben

ETH nähert sich unter dem neuen Treasury-Narrativ seinem Allzeithoch, während traditionelle Finanzakteure wie Stripe und Circle nacheinander ankündigen, ihre eigenen Layer1s zu entwickeln – das EVM-Ökosystem erlebt derzeit eine glanzvolle Phase.

Mit der allmählichen Etablierung von Entwicklungstools, Liquidität und Nutzer-Netzwerk des Ethereum-Ökosystems als Branchenstandard ist die Kompatibilität mit EVM von einem netten Extra zur Grundvoraussetzung geworden. Vor diesem Hintergrund hat sich Sei, einst bekannt als Hochleistungs-Orderbuch-Chain, für einen anderen Weg entschieden. Dieser Artikel blickt auf die Schlüsselmomente von Seis technologischem Upgrade und der Ökoexpansion im vergangenen Jahr zurück und untersucht die langfristige Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der Neugestaltung des Multichain-Ökosystems.

EVM-Upgrade und Anbindung an die Infrastruktur

Mitte 2024 startete Sei das V2-Upgrade und führte offiziell die parallele EVM in das Mainnet ein. Auf Architekturebene behält es die modulare Basis des Cosmos SDK bei und ermöglicht gleichzeitig eine nahtlose Interaktion mit Ethereum-Anwendungen. Dadurch werden weder das bestehende Netzwerk-Konsens- und Governance-System zerschnitten, noch bleibt die Brücke zum größten Smart-Contract-Ökosystem der Welt verschlossen. Dieser Schritt war im damaligen Multichain-Umfeld durchaus gegen den Trend – während die meisten Public Chains ihre Entwicklungsdynamik zurückfuhren, setzte Sei auf eine Kombination aus Performance und Kompatibilität.

Eine der begleitenden Maßnahmen des Upgrades war die Wallet-Kompatibilitätskooperation mit MetaMask, der weltweit am häufigsten genutzten Wallet. Die Integration von MetaMask senkte die Hürden für Nutzer-Migration und Asset-Management erheblich, sodass Nutzer, die zuvor auf Ethereum, Arbitrum und anderen Chains aktiv waren, mit nahezu null Lernaufwand zu Sei wechseln konnten.

Unmittelbar darauf ging der führende Blockexplorer des VM-Ökosystems, Etherscan, offiziell für Sei online und entwickelte den Seiscan-Blockexplorer speziell für Sei-Nutzer und -Entwickler. Dies ist nicht nur ein wichtiger Meilenstein für die Vervollständigung der Entwickler-Toolchain, sondern bedeutet auch, dass die On-Chain-Datentransparenz mit der des Ethereum-Mainnets gleichzieht und einheitliche Schnittstellen für Debugging, Auditing und Analyse bietet. Es handelt sich hierbei weniger um eine passive Wendung, sondern vielmehr um eine proaktive Positionierung von Sei im Rahmen der Multichain-Neugestaltung – durch die drei Wege Performance, Wallet-Zugang und Datenvisualisierung wurde sowohl die Entwicklerreichweite als auch der Liquiditätsradius erweitert.

Seit dem Start von Sei V2 erlebte das Sei-Ökosystem ein explosionsartiges Wachstum: Die täglichen aktiven Nutzer stiegen von 1.300 auf fast 900.000, das tägliche Transaktionsvolumen von 57.000 auf 1,65 Millionen und der TVL von 100 Millionen US-Dollar auf den jüngsten Höchststand von 687 Millionen US-Dollar. Für eine Public Chain, die einst tief im Cosmos-Universum verwurzelt war und sich nun aktiv für ein größeres Ökosystem öffnet, ist dies nicht nur eine Neugestaltung der Wachstumskurve, sondern auch ein Wendepunkt in der strategischen Erzählung.

Warum das Upgrade?

Sei unterstützte bisher sowohl EVM als auch CosmWasm als Ausführungsumgebungen und versuchte, mit einer „zweigleisigen“ Strategie die Bedürfnisse verschiedener Entwicklergruppen zu erfüllen. Diese Strategie bot anfangs Flexibilität und machte Sei zu einem der wenigen Netzwerke, die native Interoperabilität zwischen EVM- und WasmVM-basierten Anwendungen ermöglichen.

Mit der Ausweitung des Netzwerks und der Veränderung der Ökostruktur traten jedoch die Nachteile dieser Architektur zutage. Nutzer mussten zwei Adressformate verwalten, Infrastruktur-Anbieter mussten für die Interaktion zwischen den Umgebungen individuelle Logik entwickeln, und auf Code-Ebene entstand ein langfristiger Wartungsaufwand für die Kompatibilität. Jay Jog, Mitbegründer von Sei Labs, räumte ein, dass diese Komplexität nicht nur die Iterationsgeschwindigkeit verlangsamte, sondern auch den Performance-Vorteil schleichend verwässerte.

Seit der Einführung der parallelen EVM in Sei v2 dominiert die Nutzung der EVM die Netzwerkaktivität. On-Chain-Daten von Dune Analytics zeigen, dass neue Nutzer und neu bereitgestellte Anwendungen überwiegend die EVM-Umgebung wählen, während der Anteil von CosmWasm an Transaktionsvolumen und Entwickleraktivität stetig sinkt.

Für Entwickler, die mit Solidity und der Ethereum-Toolchain vertraut sind, ist EVM nicht nur eine gewohnte Programmierschnittstelle, sondern bietet auch ausgereifte Debugging-Tools, eine umfangreiche Open-Source-Bibliothek und Cross-Chain-Portabilität – all das sind Vorteile, die CosmWasm kurzfristig kaum ersetzen kann.

Von der Entwicklerpsychologie bis zu den Netzwerkeffekten des Ökosystems hat EVM eine kaum erschütterbare Bindungskraft entwickelt. In diesem Kontext verliert die Aufrechterhaltung der Doppelarchitektur nicht nur ihren strategischen Sinn, sondern verbraucht auch wertvolle Entwicklungs- und Wartungsressourcen.

So entstand der Vorschlag SIP-3, der von Sei Labs eingebracht wurde und ein klares Ziel verfolgt: Sei auf eine reine EVM-Architektur umzustellen und CosmWasm-Verträge sowie native Cosmos-Transaktionen vollständig aufzugeben.

Die Umsetzung ist in Phasen geplant: Zunächst wird auf der EVM-Seite ein Pointer-Mechanismus eingerichtet, um den Zugriff auf bestehende Cosmos- und CosmWasm-Assets zu ermöglichen. Anschließend werden neue CosmWasm-Bereitstellungen und der Zufluss von IBC-Assets eingefroren, bevor schließlich die Ausführung alter Verträge und die Unterstützung von Nicht-EVM-Adressen eingestellt werden.

Sei-Adressen werden nicht vollständig verschwinden; sie werden weiterhin bei Validator-Identität, Staking und Governance-Prozessen innerhalb des Protokolls eine Rolle spielen. Diese Funktionen werden über EVM Precompiles bereitgestellt, um die Kontinuität der On-Chain-Governance zu gewährleisten.

Aktiver Durchbruch: Wie steigt Sei in die EVM ein?

Der Kern der Upgrade-Maßnahmen liegt im doppelten Management von technischer Umsetzung und Öko-Migration. Das Sei-Team hat diesen Prozess bewusst in kontrollierbare Phasen unterteilt, um die Auswirkungen auf das bestehende Ökosystem zu minimieren. Technisch bleibt die Optimistic Parallelization das Performance-Kernstück von Sei: Sie erlaubt parallele Transaktionsausführung und fällt nur bei Konflikten auf sequentielle Ausführung zurück.

Der Twin Turbo-Konsensmechanismus verkürzt die Blockfinalität auf etwa 360 Millisekunden – tausendmal schneller als Ethereum. Das bietet eine solide Performance-Basis für hochfrequente DeFi-, Gaming- und Orderbuch-Anwendungen und bedeutet für Nutzer praktisch keine wahrnehmbare Verzögerung. Die Schichtenstruktur von SeiDB unterstützt weiterhin effizienten Statuszugriff und die Abfrage von historischen Daten.

Im Bereich Infrastruktur-Anpassung ist MetaMask bereits ein wichtiger Zugangspunkt für Sei-Nutzer, während Etherscan die Lücke bei On-Chain-Datenvisualisierung und Entwickler-Debugging schließt.

Diese beiden Maßnahmen, zusammen mit dem parallelen Aufbau von Cross-Chain-Bridges, Datenindizierung und Multisig-Accounts, ermöglichen Sei in kurzer Zeit ein Entwicklererlebnis, das mit dem des Ethereum-Mainnets vergleichbar oder sogar überlegen ist. Für CosmWasm-Entwickler stellt das Team Migrationsleitfäden und technischen Support bereit, um einen reibungslosen Übergang zur EVM-Kompatibilität zu gewährleisten. Asset-Inhaber können native Cosmos-Assets über Cross-Chain-Bridges oder Swaps in EVM-Wallets übertragen und so Liquiditätsverluste minimieren.

Das EVM-only-Zeitalter von Sei: Wette auf Geschwindigkeit und Kompatibilität

Die Datenentwicklung bestätigt den Erfolg dieses Wandels. Seit dem V2-Upgrade stieg die Zahl der täglich aktiven Wallets von 1.300 auf fast 900.000, das tägliche Transaktionsvolumen von 57.000 auf 1,65 Millionen und der TVL von 100 Millionen US-Dollar auf einen Höchststand von 687 Millionen US-Dollar.

Dieses Wachstum spiegelt sich nicht nur in den On-Chain-Daten wider, sondern überträgt sich allmählich auch auf das traditionelle Finanzsystem. Im Mai 2025 reichte Canary Capital das S-1-Formular für den Staked SEI ETF ein, was bedeutet, dass Sei zu den wenigen Blockchains gehören könnte, die in regulierte Asset-Portfolios aufgenommen werden. Die in den USA ansässige Sei Development Foundation sorgt zudem für eine stabile Entwicklung, politische Anbindung und regulatorische Umsetzung.

Anfang August, laut Überwachung von @EmberCN, überstieg die Zahl der täglich aktiven Nutzer im Sei-Netzwerk am 2. August erstmals die von Solana. Sei hat kürzlich native USDC eingeführt sowie Ondo und Backpack integriert. Die breite Akzeptanz ließ die Zahl der täglichen aktiven Nutzer in den letzten drei Monaten von 380.000 auf jetzt 752.000 steigen. Darüber hinaus erreichte die Ausgabe von nativem USDC auf Sei in nur zehn Tagen 108 Millionen US-Dollar und übertraf damit Chains wie zkSync, Algorand und Polkadot.

Weiterführende Lektüre: „Was passiert, wenn der erste Stablecoin-Player auf eine Hochleistungs-Layer1 trifft – warum sticht Sei hervor?“

Damit hat Sei das Potenzial, zu einer echten On-Chain-Plattform für traditionelle Kapitalmärkte zu werden. Vor dem Hintergrund der Entstehung von Stablecoins, RWA, DePIN und anderen Next-Gen-On-Chain-Assets verschafft Seis Kombination aus „hohem Durchsatz + Regulierungsmöglichkeit + einfacher Zugänglichkeit“ dem Ökosystem einen strategischen Vorteil für die weitere Entwicklung.

Sei folgt damit der dominanten Stellung des EVM-Ökosystems unter Entwicklern und nutzt gleichzeitig die technischen Stärken in paralleler Ausführung und niedriger Latenz, um eine neue Balance zwischen Performance und Ökosystem zu finden. Letztlich hängt der Erfolg dieses Upgrades nicht nur von der reibungslosen technischen Umsetzung ab, sondern auch vom Grad der Öko-Migration – ob es gelingt, bestehende Nutzer und Anwendungen mit minimaler Reibung zu migrieren und im neuen EVM-only-Modell weiter zu wachsen.

Aus einer makroökonomischen Perspektive spiegelt Seis Wandel einen Branchentrend wider: Im Multichain-Umfeld bleibt EVM der De-facto-Standard für Entwickler. Ob aus Gründen der technischen Vertrautheit, der Reife der Toolchain oder der Netzwerkeffekte des Ökosystems – die Attraktivität von EVM veranlasst viele neue Chains zur aktiven Kompatibilität. Seis Innovation darauf aufbauend ist der Versuch, mit höherer Performance und geringerer Latenz die Schwächen von Ethereum und seinen L2s in Hochfrequenz-Anwendungsszenarien auszugleichen. Für Entwickler und Investoren, die im Web3-Universum die beste Kombination aus Geschwindigkeit und Kompatibilität suchen, könnte dies genau die erhoffte Antwort sein.

Mit dem schrittweisen Voranschreiten der Giga-Architektur plant Sei, die Performance auf ein neues Level zu heben und die Anwendungsgrenzen in Hochfrequenzbereichen wie Finanzen, KI, Gaming und Social weiter zu erweitern. Im Zuge der Neuordnung des Multichain-Ökosystems könnten Geschwindigkeit, Liquidität und Ökosystembreite über die Zukunft einer Public Chain entscheiden.

Seis Entscheidung bedeutet, sich ins wettbewerbsintensivste Zentrum der Branche zu begeben – dort sind die Chancen riesig, aber der Spielraum für Fehler minimal. Die nächste Wachstumskurve hängt davon ab, ob Sei im roten Ozean der EVM-Welt nicht nur überlebt, sondern zu einer wichtigen Infrastruktur für die nächste Welle von Anwendungen wird.