Coinbase setzt auf KI, um bis Oktober die Hälfte seines Codes zu schreiben

Künstliche Intelligenz etabliert sich in allen Sektoren, manchmal als Verbündeter, manchmal als stiller Tyrann. Kann sie noch aufgehalten werden? Oder erleben wir gerade den Beginn eines echten Ansturms auf digitales Gold? Bei Coinbase ist die Antwort bereits klar: beschleunigen, selbst wenn das bedeutet, die eigenen Teams durcheinanderzuwirbeln. Die Kryptobörse gibt zu, einen entscheidenden Schritt gemacht zu haben, indem sie fast die Hälfte ihres Codes der KI anvertraut hat, und ihr CEO Brian Armstrong geht noch weiter.

Coinbase macht seinen Code zum KI-Labor

Bei Coinbase ist KI längst kein Experiment mehr, sondern tägliche Realität. Laut Brian Armstrong werden mittlerweile 40 % der Codezeilen von KI generiert, im Vergleich zu weniger als 20 % vor einigen Monaten. Das Ziel ist klar: Bis Oktober sollen es 50 % sein. Für Armstrong gilt: „Wir müssen KI so verantwortungsvoll wie möglich einsetzen.“

Der CEO hebt zudem spektakuläre Ergebnisse hervor. Bei Coinbase schaffen es einige Ingenieure inzwischen, Systeme innerhalb weniger Tage zu refaktorieren, zu aktualisieren oder neu zu bauen – was früher Monate dauerte. Diese Verkürzung der Fristen illustriert das Versprechen von Armstrong: die Produktivität zu vervielfachen und damit die Art und Weise, wie eine Kryptobörse ihre Infrastruktur aufbaut und pflegt, grundlegend zu verändern.

Die eingesetzten Tools sind zahlreich: GitHub Copilot, Cursor, Claude Code, Cody, JetBrains. Mehr als 1.500 Ingenieure nutzen sie täglich. Die Kryptobörse überwacht sogar den Tokenverbrauch als Produktivitätsindikator. 

Mit diesen Zahlen sendet Coinbase eine starke Botschaft an Investoren: Das börsennotierte Unternehmen will als Pionier der Automatisierung im Bereich der Krypto-Finanzierung wahrgenommen werden.

Armstrong, ein Chef, der KI mit Nachdruck durchsetzt

Hinter diesem Wandel steckt eine rigorose Methode. Armstrong gab seinen Ingenieuren eine Woche Zeit, um GitHub Copilot und Cursor zu übernehmen.

Ich sagte mir: KI ist wichtig. Ihr müsst sie alle lernen und euch zumindest damit vertraut machen. Ihr müsst sie nicht sofort jeden Tag nutzen, wir bieten Schulungen an, aber ihr müsst sie bis Ende der Woche zumindest eingeführt haben… Manche hatten einen guten Grund, weil sie gerade von einer Reise zurückkamen oder Ähnliches. Andere hatten keinen – und sie wurden entlassen. 

Diese Worte schockierten einige seiner Teams, doch Armstrong bleibt bei diesem Kurs. Für ihn hängt die Zukunft von Coinbase von einer „KI-nativen“ Belegschaft ab, die im Umgang mit diesen neuen Tools geschult ist. 

Die Kryptobörse hat zudem „KI-Speedruns“ eingeführt: Jeden Monat leitet ein Mitarbeiter, der KI besonders erfolgreich integriert hat, einen Workshop, um seine Methoden zu teilen.

Auch wenn dieses Vorgehen durch seine Härte beunruhigt, präsentiert Armstrong es als notwendigen Schritt. In einem von Geschwindigkeit und Wettbewerb dominierten Sektor wäre ein Rückstand bei KI ein strategischer Selbstmord.

Krypto-Ingenieure oder „KI-native“? Der Markt schwenkt um

Dieser Wandel geht über die Börse Coinbase hinaus. Seit 2022 sind die Neueinstellungen im Kryptobereich rückläufig. Wie Raman Shalupau von CryptoJobsList erklärt: „Entwickler und Unternehmer gehen dorthin, wo das Geld und die Aufregung sind. Im Moment zieht KI beides an.“

Coinbase illustriert diesen Wandel. Entwicklungsteams arbeiten nun in einem Ökosystem, das von KI-Assistenten durchdrungen ist, wobei Geschwindigkeit traditionelle Methoden übertrumpft. Doch dieses Streben nach Effizienz weckt auch Bedenken. 

Der massive Einsatz von KI hat zu einer Zunahme von Bugs geführt. Um dem entgegenzuwirken, hat Coinbase eine „Repository Sensitivity Matrix“ eingeführt, um Risiken bei sensiblen Projekten zu begrenzen.

Wichtige Punkte im Überblick

• 40 % des Coinbase-Codes werden von KI generiert, Ziel: 50 % bis Oktober;
• Mehr als 1.500 Ingenieure nutzen Cursor und Copilot täglich;
• Seit 2022 Rückgang der Krypto-Neueinstellungen zugunsten von KI-Projekten;
• Entlassungen trafen Mitarbeiter, die sich der KI-Nutzung widersetzten.

In diesem Kontext ist Coinbase nicht mehr nur eine Kryptobörse: Sie wird zum Symbol einer neuen Ära, in der der „KI-native“ Ingenieur den klassischen Krypto-Ingenieur verdrängt. Doch eine Frage bleibt: Wie weit kann diese Abhängigkeit vom Maschinencode gehen, ohne die Sicherheit zu gefährden?

KI spaltet die Meinungen – im Finanzwesen wie anderswo. Auf amerikanischen Universitätscampus löst sie bereits intensive Debatten über Lernen und akademische Integrität aus. Unterdessen sieht Washington sie als wirtschaftlichen und strategischen Motor. Zwischen Angst und Faszination bleibt die Grenze schmal, und die Zukunft gehört denen, die die Maschine zu zähmen wissen.